Eine jüngst veröffentlichte Studie ist in der allgemeinen Presse mit großem Echo bedacht worden. Eine Gruppe von Forschern rund um Robert Koeth und Stanley Hazen von der Cleveland Klinik, Ohio, betitelt ihre Forschungsergebnisse: „Intestinal microbiota metabolism of L-carnitine, a nutrient in red meat, promotes atherosclerosis“, zu deutsch: „Stoffwechselvorgänge bei der Verdauung von L-Carnitin, ein Nährstoff aus rotem Fleisch, fördern Arteriosklerose.“

1

Der Stoffwechselvorgang, den Hazen, Kloeth et al als kritisch beschreiben, ist der Folgende: Aus L-Carnitin produzieren Darmbakterien den Stoff trimethylamin-N-oxid (TMAO), welcher wiederum mit einem erhöhten Arteriosklerose-Risiko korreliert.

Schwächen der Studie

Schon kurze Zeit nach der Veröffentlichung der Studie reflektieren verschiedene Ernährungswissenschaftler die Studie und bezeichnen sie als konzeptionell fehlerhaft, und warnen vor den nicht hatlbaren oder gar falschen Schlussfolgerungen2. Dabei werden vor allem diese Einwände gemacht:

1) Mäuse-Studie

Die Studie ist an Mäusen gemacht worden, nicht am Menschen. Studien an Labormäusen eignen sich für erste Indikationen für Wirkmechanismen an Menschen, stellen sich aber in dem völlig anderen Organismus des Menschen häufig genug als nicht haltbar heraus.

2) Cholesterol und Herzinfarktrisiko

Verschiedene große Humanstudien haben, zuletzt 2011, nachgewiesen, dass der oft zitierte Zusammenhang zwischen der Einnahme Cholesterinhaltiger Lebensmittel und dem Herzinfakrtrisiko nicht existiert.

3) Daten der Studie inkonsistent und unvollständig

Ernährungsexperte Dr. Chris Masterjohn bemängelt unvollständige Daten im Studiendesign und sehr weite Sprünge in der Logik[ 3. http://www.westonaprice.org/blogs/cmasterjohn/2013/04/10/does-carnitine-from-red-meat-contribute-to-heart-disease-through-intestinal-bacterial-metabolism-to-tmao/]. Schon eine frühere Studie derselben Autoren habe gezeigt, dass mit Cholinsalze aus der Studie sich erheblich von den Cholinsalzen in der Ernährung unterscheiden würden. Daher sei der Zusammenhang von L-Carnitin plus Cholin = TMAO nicht gegeben.

4) TMAO wird nicht nur aus Fleisch, sondern aus vielen Lebensmittel gebildet

Die kritische Zwischensubstanz TMAO wird durch Fleisch (und damit L-Carnitin) nicht mehr gebildet als durch Obst und Gemüse! Eine Studie bereits aus dem Jahr 1999 hat die Verstoffwechselung von 46 verschiedenen Lebensmitteln zu TMAO mit einer Kontrollgruppe verglichen3. Mit dabei so prominente, gesunde Lebensmittel wie:

  • Tomaten
  • Kartoffeln
  • Ananas
  • Orangen
  • Karotten
  • Erdnüsse
  • Pfirsiche
  • Äpfel
  • und eben auch Fleisch.

Ergebnis: Keines der Lebensmittel hat zu einem signifikanten Unterschied in der Synthese von TMAO (gemessen an der Ausscheidung von TMAO) ergeben. Fleisch resultierte zu einer etwas geringeren Menge an dem angeblich gefäßschädigenden TMAO als z.B. Kartoffeln, Pfirsiche, Karotten oder Tomaten!

Lediglich eine fischreiche Ernährung führte zu erhöhten TMAO-Ausscheidungen. Heilbutt generierte in der Untersuchung eine TMAO-Menge, die 107 mal so hoch war wie rotes Fleisch!

Fischreiche Ernährung aber, das ist gesichert, ist eine für die Gefäße sehr gesunde Ernährung. Eskimos, die kaum Fleisch und sehr viel Fisch essen, kennen fast keine Gefäßkrankheiten.

5) Studie widerspricht 40 Jahren Forschungserfahrung

Forschungen zu den Ernährungs- und Stoffwechselfunktionen von L-Carnitin werden seit über 40 Jahren betrieben. In keiner der Studien wurde über ernstzunehmende Nebenwirkungen berichtet. L-Carnitin gilt daher als sehr sicherer Lebensmittelbestandteil und Nahrungsergänzung. Dieses Ergebnis liefern sowohl Kurzzeitstudien als auch Langzeitstudien.

Breite Fachkreise sind daher sehr erstaunt über die Schlussfolgerungen der Studie und halten sie für nicht haltbar.

  1. Stanley Hazen, Robert A.Koeth et al., „Intestinal microbiota metabolism of L-carnitine, a nutrient in red meat, promotes atherosclerosis“; Nature Medicine ; doi:10.1038/nm.3145
  2. http://articles.mercola.com/sites/articles/archive/2013/04/22/eating-red-meat.aspx
  3. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10456680